Im Masterfonds sind die strategischen (risikoreicheren) Assetklassen gebündelt. Ziel war es, bei diesen Anlagen einen Schutzschirm zu installieren, der in Stressphasen das Verlustrisiko reduziert.
Herr Möllmann, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten „Erfolgsfaktoren“ in der Kapitalanlage und der Banksteuerung, um die beiden letzten Krisen bzw. schwarzen Schwäne in den Jahren 2020 und 2022 zu meistern?
In diesen sehr volatilen Phasen ist es m. E. ausgesprochen wichtig, eine übersichtliche Strukturierung der Eigenanlagen zu haben. Die ideale Basis hierfür ist eine klare Asset Allokation. Hierzu gehört auch, dass sich die Asset Allokation auf die wesentlichen Assetklassen konzentriert, um sich nicht mit „homöopathischen“ Dosierungen in einzelnen Assets zu verzetteln. Dies würde auch eine zielgerichtete Steuerung erschweren.
Mit Blick auf das Jahr 2022 – was waren für Sie die größten Herausforderungen dieses besonderen Jahres?
Das Jahr 2022 war von ausgesprochen vielschichtigen Herausforderungen geprägt. Diese können vielfach auf die Zinswende – getrieben durch die Inflation – zurückgeführt werden. Grundsätzlich ist ein Zinsanstieg für die Ertragslage der Sparkassen ausgesprochen gut. Allerdings hat dieser schnelle Zinsanstieg – + 300 BP – und die ausgeprägte Inversität zu erheblichen Verwerfungen in der Ertragsrechnung geführt. Gleichzeitig war auch die Entwicklung an den Aktienmärkten recht volatil. Je nach Struktur der Eigenanlagen und der Positionierung im Zinsänderungsrisiko hat diese Entwicklung zu erheblichen Abschreibungen auf den eigenen Wertpapieren geführt. In dieser Phase war es wichtig, Verkäufe zu vermeiden, um an späteren Werterholungen wieder partizipieren zu können.
Gleichzeitig wurden Kundeneinlagen wieder attraktiv. Die richtige Positionierung ist hier für die Sparkasse ausgesprochen wichtig.
Welche Konsequenzen haben sich aus Ihrer Sicht aus der Zinswende im Hinblick auf die Asset Allokation in der Kapitalanlage ergeben?
Durch die Zinswende hat sich die relative Attraktivität der einzelnen Assetklassen untereinander deutlich verschoben. Allein aus diesem Grunde ist eine Überprüfung der aktuellen Eigenanlagenstruktur geboten. In der Niedrig-/Negativzinsphase wurden tendenziell illiquide Assetklassen bzw. in Teilen auch Aktien bevorzugt. Diese Assetklassen haben auch heute noch einen hohen Stellenwert in einer ausgewogenen Asset Allokation. Da es aber bei Rentenanlagen mittlerweile wieder positive Kupons gibt, ist hier die Attraktivität deutlich gestiegen.
Weiterhin ist es erforderlich, neben den klassischen Assetklassen auch neue Assetklassen hinsichtlich ihrer Eignung als Anlagen für Sparkassen in den Fokus zu nehmen. Hier ist als jüngeres Beispiel die Assetklasse „Infrastruktur“ zu nennen.
Aufgrund der Erfahrungen im Jahr 2022 ist in der Asset Allokation ein besonderes Augenmerk auf die Durationssteuerung zu legen bzw. die Durationssteuerung mit der Steuerung des Zinsänderungsrisikos für das Gesamtinstitut zu harmonisieren.
Welchen Beitrag hat in diesem Umfeld die Strukturierung der Assetklassen und Mandate geleistet?
Trotz der hohen Inflationsraten und der damit einhergehenden Zinsanpassungen der Notenbanken hat sich unser Aktiensegment als äußerst widerstandsfähig und robust erwiesen. Während viele Anlageklassen hohe Verluste hinnehmen mussten, mussten wir lediglich einen überschaubaren Verlust von ca. 5% verkraften. Damit fiel der Verlust deutlich geringer aus als der des währungsgesicherten globalen Aktienmarktes oder der einer 10jährigen deutschen Staatsanleihe. Beide haben im Jahr 2022 einen Verlust von über 18% erlitten. Dies verdeutlicht die Stärke unserer defensiven Aktienstrategie und bestätigt den Mehrwert der getroffenen Anlageentscheidungen. Die Fokussierung auf dividendenstarke Aktien hat dabei sehr gut als eine Art „Inflationsschutz“ fungiert und mit zum Erfolg beigetragen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnte die Ausschüttungsquote des Aktienportfolios von rund 3,5% erzielt werden. Insgesamt passen die Investmentstile Low Risk und High Dividend daher optimal zu den Anlagezielen unserer Sparkasse, da sie sowohl Stabilität als auch attraktive ordentliche Erträge bieten.
Was waren für Sie im Kern die Mehrwerte, die das Konstrukt „Masterfonds mit Risiko-Overlay“ in dieser Zeit geleistet haben?
Wir haben das Overlay im Jahr 2018 mit der Auflegung des Masterfonds installiert. Im Masterfonds sind die strategischen (risikoreicheren) Assetklassen gebündelt. Ziel war es, bei diesen Anlagen einen Schutzschirm zu installieren, der in Stressphasen das Verlustrisiko reduziert. In den Stressphasen Frühjahr 2020 und 2022 hat das Overlay bewiesen, dass damit das Ziel der Verlustreduzierung auch erreicht wurde. Nach der ersten Stress-Situation im Jahr 2020 wurde aufgrund der hier gesammelten Erfahrungen das Overlay modifiziert. Festzuhalten ist hier, dass das Overlay individuell auf die Bedürfnisse der Sparkasse angepasst werden muss.
Welchen Mehrwert bietet ein Risiko-Overlay bei der Herleitung der strategischen Asset Allocation?
In der jüngsten Vergangenheit lagen die Stress-Situationen relativ nahe beieinander, mit der Folge, dass die Sicherung zweimal aktiviert wurde. Davor gab es aber lange Phasen, in denen die Kapitalmärkte relativ stabil waren. Mit Hilfe eines funktionierenden Overlays kann die Asset Allokation auf der Basis des Szenarios „Risikofall“ ausgerichtet werden. Ohne Overlay ist bei der Asset Allokation immer auch die Auswirkung eines Stressfalles mit zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass ohne Overlay der Anteil der ertragreicheren Anlagen (i. d. R. auch risikoreicheren) geringer ausfallen muss. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die ordentlichen Erträge auch geringer sind.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass die Steuerung des Risikos über den Einsatz von Derivaten erfolgt. Das bedeutet, dass das physische Investment weiterhin bestehen bleibt. Die hohe Liquidität der Derivate ermöglicht hier ein sehr schnelles und flexibles Handeln.
Eine weitere Erfahrung aus der Stressphase 2020 war, dass das Overlay so konstruiert sein sollte, dass in Phasen der Markterholung automatisch ein Wiedereinstieg in den Markt erfolgt. Durch die Festlegung eines Basisinvestitionsvolumen hat dies im Jahr 2022 funktioniert.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Veränderungen und Konsequenzen, die sich aus der Umsetzung der neuen Gesamtbanksteuerung ergeben?
Mit dem Umstieg auf die ökonomische Perspektive rückt das „Refinanzierungskostenrisiko“ (RKR) deutlich in den Fokus. In der periodischen RTF war das „Liquiditätskostenrisiko“ ein unwesentliches Risiko. In der ökonomischen Perspektive wird das RKR zu einem wesentlichen Risiko. Hieraus folgt, dass die Steuerung des Liquiditätsrisikos in der Zukunft die gleiche Bedeutung haben wird wie das Zinsänderungsrisiko. Je nach Ausprägung des Risikos sind auch Zuschläge auf das erforderliche Eigenkapital möglich.
Aus der Umsetzung der neuen Banksteuerung können aber auch noch weitere Implikationen resultieren. Hier ist zu beachten, dass (noch nicht) alle gebräuchlichen Produkte implementiert sind. Bei einer Neuausrichtung der Asset Allokation ist somit zu prüfen, ob die geplanten Produkte in der Anwendung umgesetzt sind und auch mit entsprechenden Marktdaten versorgt werden. Wenn dies nicht der Fall ist, ist entweder ein Workaround oder eine Bewertung außerhalb der zentralen Anwendung erforderlich.
Inwiefern spielt die Risikotragfähigkeit (RTF) bereits in der Allokation eine Rolle?
Der Wechsel von der periodischen Risikotragfähigkeit auf die ökonomische Perspektive hat auch Implikationen auf die Asset Allokation. Je nach institutsindividueller Situation ist eine Anpassung der Asset Allokation erforderlich. Die Umstellung von der „Historischen Simulation“ auf den „Varianz-Kovarianz-Ansatz“ in Verbindung mit dem erhöhten Konfidenzniveau von 99,9% hat erhebliche Auswirkungen auf den Risikobeitrag einzelner Assetklassen und damit auf die Attraktivität des Assets. Allerdings sind hier immer auch die Auswirkungen auf die „Normative Perspektive“ zu berücksichtigen. Sofern die Überprüfung der Asset Allokation zu einer Erhöhung des Risikobeitrages führt, muss dieser auch in der „Normativen Perspektive“ im adversen Szenario darstellbar sein. Um dies zu erreichen, kommt dann wieder das Overlay zur Anwendung.
Welche Implikationen ergeben sich für die Sparkasse somit aus dem regulatorischen Rahmen für die Kapitalanlage?
Das Eigenkapital ist m. E. künftig der Engpassfaktor. Daher bekommt die Bewirtschaftung des Eigenkapitals / RWA-Steuerung einen deutlich höheren Stellenwert als in der Vergangenheit. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind in der jüngsten Vergangenheit schon deutlich gestiegen bzw. werden in den nächsten Jahren noch weiter steigen.
Nachstehende Kennzahlen führen zu einer guten Transparenz hinsichtlich der Attraktivität einzelner Assetklassen / Geschäftsfelder:
- Return on RWA (RoRWA)In dieser relativ einfachen Kennzahl wird die erwartete Rendite ins Verhältnis zur gebunden RWA gesetzt. Diese Kennzahl kann sowohl für das Eigen- als auch für das Kundengeschäft verwendet werden, um damit eine direkte Vergleichbarkeit Eigen- zu Kundengeschäft herzustellen. Im Kundengeschäft kann sie auch zur Überprüfung der Margen verwendet werden bzw. gibt Auskunft darüber, ob das gebundene Eigenkapital ausreichend verzinst wird.
- Return on invested CapitalDer Unterschied zur Kennzahl RoRWA besteht darin, dass hier die Rendite ins Verhältnis zum gebundenen Eigenkapital zuzüglich des aus der Position resultierenden Risikos gesetzt wird. Dies führt zu einer besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Assetklassen untereinander.
Welche Faktoren werden aus Ihrer Sicht nach vorne blickend entscheidend sein für eine erfolgreiche Banksteuerung und Kapitalanlage?
Im aktuellen Umfeld ist die Überprüfung der Asset Allokation in Verbindung mit der Positionierung beim Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiko dringend zu empfehlen.
Die künftigen Erfolgsfaktoren würde ich heute so skizzieren:
- Sicherstellen einer angemessenen Verzinsung des investierten/gebunden Eigenkapitals
= umfassende Bewirtschaftung des Eigenkapitals / der RWA-Steuerung - klare Strukturen in der Asset Allokation
(Trennung in „für den Geschäftsbetrieb erforderliche Anlagen“ und „strategische Anlagen“) - (breite) Diversifikation in der Asset Allokation aber keine homöopathischen Dosierungen – entsprechend der Größe des Hauses sollten „Mindestgrößen“ für Assetklassen definiert werden. Die „dreiundzwanzigste“ Assetklasse führt nur noch zu einem geringen Diversifizierungseffekt.
- Bei Investitionen in volatilen Assetklassen sollten diese mit einem Sicherungsnetz versehen werden Þ Overlay Management.
- Zur Sicherung einer ausreichenden Eigenkapitaldotierung ist es sinnvoll, grundsätzlich den Risikofall in den Fokus zu nehmen. Dieses Investment sollte aber auf keinen Fall ohne ein wirksames Overlay erfolgen, damit es in Stressphasen nicht zu bösen Überraschungen kommt.
- Bei allen Überlegungen ist das Thema „Nachhaltigkeit“ mit zu berücksichtigen.
Herr Möllmann, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Dr. Christian Schwarz.